6 Wein-Mythen und -Irrtümer aufgedeckt und korrigiert

Obwohl es ja „nur“ vergorener Traubensaft ist, herrschen über das vielleicht edelste aller Getränke überraschend viele Irrtümer – von denen wir einige nun aufdecken.

Es könnte so einfach sein: Trauben ernten, zermahlen und sie entweder jetzt schon gären lassen (die Maischegärung, die man bei Rotwein anwendet) oder sie anschließend sofort pressen und erst dann gären lassen (Saftgärung). Dann eine Zeitlang in Ruhe lassen und fertig ist der Wein. Ja, das ist zwar in der Tat eine (enorm gestraffte) Beschreibung der Weinherstellung. Allerdings gibt es rund um die edlen Tropfen unzählige notwendige Vorgänge, gibt es tausenderlei Rebsorten, Untergründe und, und, und. Kein Wunder, dass da, wenn man noch die jahrtausendealte Geschichte des Weins hinzurechnet, eine ganze Menge in den Volksglauben übergegangen ist, das so nicht stimmt. Sechs besonders populäre Irrtümer korrigiert der folgende Artikel.

1. Roséwein entsteht, wenn man Rot- und Weißwein mischt
Nicht ganz rot, nicht ganz weiß und geschmacklich irgendwo in der Mitte. Bei diesem ersten Mythos ist es noch relativ verständlich, wie er entstehen konnte, denn Roséwein sieht tatsächlich so aus, als hätte der Winzer einfach seine Bestände an Rotem und Weißem vermischt und auf Flaschen gezogen.

Hat er aber nicht – dürfte er auch innerhalb der EU nicht (oder nur in sehr engen Grenzen), wenn er sich nicht der Weinpanscherei schuldig machen wollte. Tatsächlich entsteht jeder Roséwein aus Rotweintrauben. Bloß wird er nicht wie ein Roter per Maischegärung hergestellt, sondern die Weinherstellung erfolgt wie bei einem Weißen.

Das liegt übrigens daran, dass die Weinfarbe dadurch bestimmt wird, wie lange der Saft mit den gemaischten Schalen in Kontakt steht. Beim Rosé wird der Saft gleich abgetrennt, sodass er keine Gelegenheit hat, zu erröten.

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Rotwein ist nur rot, weil der Traubensaft während der Maischegärung wochenlang mit den zermahlenen (roten) Traubenhäuten in Kontakt steht. Eigentlich ist der Saft weiß.

2. Portugieser kommt aus Portugal
Es ist in den deutschen Anbaugebieten die am dritthäufigsten vertretene rote Rebsorte, der Portugieser oder genauer, Blauer Portugieser. Das liegt schon daran, dass diese Traube ziemlich anspruchslos ist, sowohl was die Böden wie das Klima anbelangt. Heraus kommt zwar kein hoch-edler Wein, aber ein frisches, süffiges Getränk das als solches sowohl Wein-Novizen wie trainierte Gaumen erfreut.

Mittlerweile vertreten Wissenschaftler die Ansicht, dass der Portugieser eigentlich ein Slowene ist – das zeigt sich in der historischen Verbreitung der Sorte, die zunächst im 18. Jahrhundert in Österreich beliebt wurde und dann erst ein Jahrhundert später nach Deutschland kam.

Tatsächlich war die Herkunft des Portugiesers für lange Jahre eines der am heißesten umstrittenen Themen in der Winzerwelt, manche sprachen sogar von einem regelrechten Reben-Krimi – nicht ganz abwegig, auch, weil hier mit echten kriminalistischen Methoden gefahndet wurde.

3. Älter ist immer besser
Im 2018er Film bestellt die Heldin mit Kennerblick einen 1982er Chateau Latour und der Zuschauer nickt: Einmal mehr wurde ihm bestätigt, dass Wein, je älter er ist, umso besser ist.

Leider ist das allerdings nur deshalb ein Glaube, weil er von Hollywood so tüchtig befeuert wird. Wein ist kein Whiskey, den man unbegrenzt lagern kann und der dadurch besser wird, dass er die Fass-Aromen aufnimmt.

Tatsächlich kommt es auf die Rebsorte an. Manche brauchen tatsächlich „einige Jahre“, um die volle Komplexität ihrer Aromen zu entwickeln und zu einem wirklich abgerundeten Getränk zu werden. Doch selbst solche Tropfen haben eine Art Ablaufdatum, hinter dem sie „kippen“. In dem Fall vergärt der Wein allmählich zu Essig.

Das zeigte sich vor einigen Jahren bei einem Wein aus dem Rekordjahrgang 1540 (ein Dürresommer, der 2018 wegen der Analogie vielfach Erwähnung fand), den einige Kenner probieren durften. Der erste Schluck war atemberaubend – bis das Getränk durch den Kontakt mit Luftsauerstoff schlagartig „zerfiel“.

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Wein zu lange im Keller zu lagern, ist der Qualität keineswegs förderlich. Schlimmstenfalls lagert man da nur Essig.

4. Rotwein und Käse sind das perfekte Duo
Man kennt es von jedem Büffet im guten Restaurant, wie es zu Hochzeiten und Geburtstagen aufgebaut wird: Ein Stück Brie, etwas Emmentaler, ein Normandie-Camembert und dazu ein Glas Rotwein. Wenn der Gastronom das kombiniert, sollte es dem weintechnisch weniger bewanderten Konsumenten ja auch munden…oder etwa nicht?

Eher nein. Dass Rotwein und Käse kombiniert werden, stammt zwar aus dem Heimatland der kulinarischen Genüsse, aus Frankreich. Allerdings ist es eine echte Unsitte. Denn Käse ist immer ein sehr fetthaltiges, entsprechend schweres Produkt. Und je nach Sorte ist er enorm aromatisch, hat einen sehr intensiven Geschmack und riecht auch noch dementsprechend.

Es braucht keine Ausbildung als Sommelier, um zu erkennen, worin hier die Krux liegt: Der Käse ist geschmacklich und geruchlich so überpräsent, dass er selbst einen kräftigen Roten problemlos überdeckt. Wer das nicht glaubt, kann den Test machen – erst einen Schluck Rotwein nehmen, sich das Aroma merken, dann in einen würzigen Käse beißen und nochmal trinken. Man wird nur noch einen Bruchteil der Wein-Aromen wahrnehmen. Daraus sollte man zwar nicht ableiten, dass sich kräftige Speisen und ebensolche Weine gegenseitig generell ausschließen, aber in jedem Fall, dass man zum intensiven Käse besser einen leichten Weißen trinken sollte, weil es unmöglich ist, hier einen geschmacklichen Ausgleich durch Wein zu erlangen, dazu ist der Käse allzu präsent.

Wein-Mythen Wein & Käsefotolia.com © svittlana

Je intensiver der Käse, desto leichter sollte der Wein sein. Bei Blauschimmel und Co. darf es daher ruhig ein Rosé oder ein Weißer sein.

5. Fisch darf nur in Weißwein schwimmen
Forelle Blau, dazu ein schönes Glas Weißwein. Das steht so nicht nur in beinahe jedem Kochbuch, sondern gehört auch zu dem, was selbst absolute Küchenlaien oft im Hinterkopf zum Thema „Speisen und Getränke kombinieren“ verankert haben.

Allerdings kommt hier die Regel aus dem vorherigen Punkt zu erneuter Bedeutung, die von der kräftigen Speise und dem kräftigen Wein. Dazu muss man zunächst beachten, dass Süß- und Salzwasserfische generell unterschiedlich intensiv schmecken, erstere sind milder. Und es kommt auch auf die Zubereitungsart an. Gedünsteter Fisch wird immer harmloser im Geschmack sein als einer, der Pfanne oder Grillrost genossen hat.

Es gilt also die aufsteigende „Geschmackskette“: Gedünsteter Süßwasserfisch > Gedünsteter Salzwasserfisch > Gebratener Süßwasserfisch > Gebratener Salzwasserfisch. Und je intensiver der Fisch zubereitet und gewürzt wurde, desto gehaltvoller sollte der gereichte Wein sein, um ein geschmackliches Ausgleichsgewicht herzustellen. Beim Fisch geht das um Längen besser als beim Käse, hier ist die Geschmackswaage möglich und erstrebenswert. Auch wenn das bedeutet, zu gegrilltem Seebarsch einen Spätburgunder zu servieren.

Wer das versteht, versteht auch, dass Forelle Blau und Weißwein keine schlechte Kombination sind. Ein pochierter (also in heißem Salzwasser gegarter) Süßwasserfisch zu einem leichten Weißwein.

6. Wein muss man immer dekantieren
Wer sich heute in den Glas-Massen ein Set aus Weingläsern kauft, der stellt wahrscheinlich meistens auch einen großen, schweren Glasbehälter mit in den Einkaufswagen, den Dekanter. Denn Wein, besonders Roter, das hat man schon oft gehört, muss „atmen“, um sein volles Aroma zu entfalten – außerdem wirkt der Dekanter schon im Schrank optisch ansprechender und erst recht, wenn er mit einem tiefroten Wein gefüllt ist.

Wird dann entkorkt, landet der Traubentropfen mit einem Schlag im Dekanter und wird dort für viele Minuten (oder noch länger, wenn die Flasche nicht gleich auf alle Gäste aufgeteilt werden kann) zwischengelagert.

Wer das tut, hätte, bei entsprechender Rebsorte, die Flasche auch gleich in den Ausguss entsorgen können. Denn Dekantieren ist niemals eine Universalhandlung, die man unterschiedslos jedem Wein angedeihen lassen sollte. Und immer ist sie äußerst zeitbeschränkt.

Nur junge Weine mit hohem Tannin-Anteil können im Dekanter dadurch, das Luftsauerstoff auf eine größere Oberfläche wirken kann, geschmacklich gewinnen. Bei allen anderen Weinen, ja, auch Roten, kann das Gegenteil eintreten. Der Sauerstoff oxidiert die Inhaltsstoffe, der Wein zerlegt sich geschmacklich und wirkt oft schon nach 15 Minuten im Dekanter farblos auf der Zunge.

Insbesondere ältere Rotweine sollte man nur in eine sehr schmale Karaffe umfüllen – wenn überhaupt – damit der Kontakt mit Luftsauerstoff so gering wie möglich ist.

Autor: red.

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